Die Hänichener Kohlenzweigbahn
Die Geschichte der Windbergbahn ist eng mit der Geschichte der Albertsbahn verknüpft. Deshalb beginnt der chronologische Abriss mit der Entstehung der Albertsbahn. Im Südwesten und Süden von Dresden befanden sich einst zahlreiche Steinkohleschächte (Döhlener Becken, Hänichener Steinkohlenrevier). Die Abfuhr der geförderten Kohle ins Elbtal erfolgte mit Pferdefuhrwerken. Aufgrund der gestiegenen Fördermengen entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts Pläne zur Erschließung mit einer Eisenbahn. Die Sächsische Landesregierung lehnte den Bau einer Staatseisenbahnlinie ab, gestattete aber den Bau einer Privatbahn mit der Forderung nach Führung der Bahn von Dresden durch den Plauenschen Grund bis Tharandt. Daraufhin konstituierte sich am 4. Mai 1853 ein Komitee zur Gründung der Albertsbahn-Aktiengesellschaft. Aktionäre waren vorwiegend die Direktoren der Steinkohlegruben. Am 12. September 1853 erfolgte der erste Spatenstich, die feierliche Eröffnung der Strecke Dresden – Tharandt fand am 28. Juni 1855 statt.
Die Zechen um Obergittersee, das Windberggebiet und in der Hänichener Flur sollten über eine Zweigbahn erschlossen werden. Entwurf und Bauleitung lagen in den Händen des Eisenbahningenieurs Guido Brescius, er wirkte bereits ab 1847 maßgeblich beim Bau der Elbtalstrecke von Bodenbach (Decin) nach Dresden mit. 1853 unterzeichnete er einen Vertrag mit der Albertsbahn-Aktiengesellschaft, bei der er später als Maschinenmeister und Betriebsingenieur angestellt wurde. In einem ersten Entwurf sah Brescius eine mit Pferdekraft betriebene Bahn vor. Die aus der Anzahl der Anschlussverträge zwischen den Steinkohlenwerken und der Albertsbahn zu erwartenden Abfuhrmengen bewegten ihn zu Entwürfen für eine lokomotivbetriebene Bahn. Die eisenbahntechnische Meisterleistung von Guido Brescius bestand darin, eine Linienführung zu konzipieren, die zwischen Plauenschem Grund und Obergittersee (s. Karte) auf nur 1,6 km Luftlinie einen Höhenunterschied von 120 m überwand und dabei mit nur wenigen Kunstbauten auskam. Durch Längendehnung auf 5,6 km ergab sich eine für Lokomotiven geeignete Neigung von 1:47. Die Hänichener Kohlenzweigbahn war die erste Eisenbahn in Deutschland, auf der man derartige Neigungs- und Bogenverhältnisse (kleinster Radius = 85 m) baute. Der Streckenabschnitt vom Plauenschen Grund nach Obergittersee gilt heute als die erste Gebirgsbahn in Deutschland. Europaweit ist dies nach der Semmeringbahn die zweite derartige Strecke.
Im April 1856 begannen die Arbeiten zum Bau der als Hänichener Kohlenzweigbahn bezeichneten Strecke. Nach Abnahme der Strecke erfolgte am 21. Oktober 1856 die Betriebsfreigabe. In den danach folgenden Monaten Februar und März lieferte die Maschinenfabrik Richard Hartmann in Chemnitz die ersten Loks (speziell entwickelte Gattung H VIII b T). Von Dresden-Altstadt aus befuhr am 1. April 1857 der erste Zug die Strecke nach Hänichen. Die Bahn erhielt den Status einer Hauptbahn. Am 15. April 1857 befuhr der eisenbahnbegeisterte König Johann von Sachsen die Strecke, er sprach nach seiner Fahrt von der "Sächsischen Semmeringbahn". Diese Bezeichnung hat sich als einer der vielen Beinamen der Strecke erhalten. Die Schilderung der schönen Ausblicke durch Lokführer, Heizer, Schaffner und Bremser machten die Bahn auch bei der Bevölkerung bekannt. Schon ab 10. Mai 1857 fanden an Sonn- und Feiertagen "Aussichtsfahrten" statt. Dabei wurden die Ausflügler stehend in den mit grünen Zweigen geschmückten Kohlewagen befördert. Obwohl der Konzessionsvertrag der Albertbahn von 1853 bis 1873 galt, kauften die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen am 1. Juli 1868 die Albertsbahn auf. Einerseits erfüllten sich die Erwartungen der Aktionäre nicht, andererseits war der Staat daran interessiert, das Eisenbahnnetz in eigene Regie zu übernehmen. Die Übernahme durch den Staat brachte zahlreiche Veränderungen. Die beliebten Ausflugsfahrten wurden ab dem 1. Januar 1872 aus Sicherheitsgründen unterbunden. Im Zusammenhang mit den zurückgehenden Kohletransporten erfolgte 1879 die Herunterstufung in eine Sekundärbahn. Ab 1885 kamen Lokomotiven der Gattung VII T zum Einsatz.